Tesla Model 3 Test – wirklich das beste E-Auto?
11 Minuten Lesezeit
Kaum ein Automobilhersteller hat so treue Fans wie der E-Auto-Konzern Tesla. Im Internet gibt es eigene Foren in denen sich die Fans der Marke über deren Modelle austauschen und auch auf YouTube gibt es unglaublich viele Inhalte von Fans der Marke. Fast immer kommen die Tesla Modelle dabei sehr positiv weg. Deshalb erscheint die Frage berechtigt, ob Tesla wirklich die besten E-Autos baut. Aus diesem Grund haben wir unser Tesla Model 3 Long Range umfangreich getestet und können auf eine Alltagserfahrung von gut 6 Monaten zurückblicken.
Unseren Fahrbericht zum Tesla Model 3 Long Range findet, gibt es auch in Videoform:
Design des Exterieurs: Futuristisches Design des Model 3
Das Tesla Model 3 reiht sich praktisch unauffällig zwischen den anderen Modellen von Tesla ein. Seit der Vorstellung 2016 und der späteren Markteinführung 2019 wurde das Design nur marginal angepasst. Damit ist bereits gut 7 Jahre alt. Trotz des Alters schafft es Tesla nach wie vor durch wenig Sicken und Kanten ein futuristisches Auftreten zu erzeugen. Eventuell liegt das auch einfach an der Wahrnehmung der Marke, die mit dem Design verknüpft ist.
Betrachtet man die Karosserieform des Model 3 genauer, fällt auf, dass sie stark auf Aerodynamik optimiert wurde. Die Motorhaube ist sehr weit nach unten gezogen und dadurch wirkt die Frontscheibe wiederum sehr groß. Das sorgt im Innenraum für ein luftiges Gefühl, aber frontal von vorne wirkt der Tesla dadurch weniger dynamisch und die Insassen sind für jeden Fußgänger fast von oben bis unten zu sehen.
Zugegebenermaßen ist dies eine Übertreibung. Ich kann diesem Front persönlich nur nicht soviel abgewinnen. Persönlich habe ich oft das Gefühl man sitzt in einem „Aquarium“ durch die große Frontscheibe.
Wandert der Blick nach Hinten zeigt sich ein sportliches geschnittenes Heck, dem sogar eine Spoilerlippe relativ gut steht, welche die Performance Variante ab Werk bietet. Die Heckleuchten nutzen genauso wie die Frontscheinwerfer LED Technik. Links am Heck verbirgt sich unter einer Plastikklappe, die nahtlos in die Heckleuchte übergeht der Ladesanschluss
Bemerkenswert ist noch das große Panoramadach, dass für einen sehr hellen Innenraum sorgt und von außen einen Kontrast bietet, da das Dach so schwarz wirkt.
Interieur: auf das wesentliche reduziert
Der Innenraum des Model 3 ist ebenfalls wenig aufregend und lange bekannt. Es gibt nur einen großen 15 Zoll Touchscreen in der Mittelkonsole, der alle relevanten Informationen für den Fahrer anzeigt und gleichzeitig das Infotainment System beinhaltet.
Wer Tesla kennt weiß zudem das selbst einfachste Fahrzeugfunktionen über den Bildschirm gesteuert werden. Sei es Spiegelverstellung, die Richtung der Lüftungsdüsen oder das Öffnen des Handschuhfachs. Daran muss man sich erstmal gewöhnen und nicht immer ist diese Bedienung schneller, aber dafür bleibt der Innenraum frei von vielen Schaltern.
Die Sitze sind aus relativ weichen Kunstleder und bieten auch bei längeren Fahrten angenehmen Komfort. Während es ab der Long Range Variante auf allen 5 Plätzen eine dreistufige Sitzheizung gibt, wird eine Klimatisierung dieser nicht angeboten.
Qualitativ macht der Innenraum einen hochwertigen und sauber verarbeiteten Eindruck für die Preisklasse. Die meisten Teile sind jedoch aus Plastik. Ausgefallene Materialien gibt es nicht.
Software und Infotainment
Eine riesige Stärke von Tesla ist definitiv die Software und Hardware des Infotainments. Es ist schnell und mit schnell meine ich sehr schnell. Während man es gewohnt ist, dass die Systeme von anderen Herstellern trotz beworbener Hochleistung oft schon Probleme haben die Karten flüssig darzustellen, funktioniert hier alles butterweich.
Ob eine Route im Navigationssystem einstellen, nach Musik suchen oder bei einer Pause im Internetsurfen – alles funktioniert schnell und meist sehr intuitiv. Es ist wirklich das erste Auto indem die erste Amtshandlung nicht ist mein iPhone zu koppeln, um CarPlay zu nutzen, weil das integrierte System überzeugt. Damit vermisse ich die fehlende Möglichkeit der Nutzung von Apple CarPlay oder Android Auto auch nicht.
Neben der Software im Auto gibt es auch eine App für den Tesla. Diese ermöglicht es nach der ersten Einrichtung auch als Schlüssel zu fungieren. Somit wird das iPhone zum Fahrzeugschlüssel und die Tesla Karte im Kreditkartenformat wird nur für Notfälle eingesteckt. In einem halben Jahr kam es auch nur sehr selten vor, dass der Smartphone-Schlüssel versagt hat.
Aber die Software kann auch nerven!
Einen großen Negativpunkt kann man bei der Software nicht außen vor lassen. Im Alltag hat uns vor allem gestört, dass das Auto ständig „gepiepst“ hat. Nicht nur durch die Parksensoren, sondern auch wenn jemand aussteigt oder man nicht angeschnallt in Schrittgeschwindigkeit fährt. Dabei sind die Warntöne von Lautstärke und Frequenz eher nervend. Jedem Autofahrer ist auch bewusst, dass wenn das Fahrzeug in „D“ ist und jemand aussteigt und die Türe öffnet ein „Weiterrollen“ möglich ist.
Da bekommt man als Fahrer manchmal das unangenehme Gefühl, dass das Model 3 einen „erziehen“ möchte. Dazu später übrigens noch ein Punkt zum Assistenzsystem.
Antrieb und Leistung: die Beschleunigung ist anfangs berauschend
Jeder der das erste Mal einen Tesla fährt, wird insbesondere von den Beschleunigungswerten berauscht sein. Wenn man das Gaspedal durchdrückt, drückt es alle Passagiere in ihren Sitz und es gibt ein gewisses Momentum von Begeisterung über die abrupte Beschleunigung.
Dieser Kick beim Beschleunigen funktioniert auch sicher gut als Verkaufsargument bei einer Probefahrt. Nach einiger Zeit jedoch gewöhnt der Mensch sich auch daran und man genießt einfach nur noch, dass das Fahrzeug souverän in allen Verkehrslagen beschleunigen kann.
Betrachtet man andere Aspekte des Fahrverhaltens merkt man das Model 3 bietet viel Leistung, aber nicht alle Hardwarekomponenten des Model 3 sind darauf ausgelegt. Besonders schlecht habe ich das Fahrwerk empfunden. Bei unebenen Autobahnen hat es sich gerne aufgeschaukelt, sodass bei gleichbleibender Geschwindigkeit ein gleichbleibendes Wippen durch das Auto ging.
Hohe Geschwindigkeiten machen trotz der hohen Leistung wenig Spaß
In der Praxis wird man mit dem Tesla Model 3 vermutlich eher selten über 180 km/h schnell fahren, da die Reichweite natürlich drastisch einbricht. Ausprobiert haben wir die Höchstgeschwindigkeit dennoch und der Tesla beschleunigt sehr zügig hoch bis etwa 200 km/h danach wird es etwas langsamer. Bei 233 km/h erreicht er übrigens seine maximale, vermutlich technische zugelassene, Geschwindigkeit.
Bei diesen hohen Geschwindigkeiten fällt auf, dass sowohl Lenkung und Fahrwerk kein so präzises Feedback geben und man sich nicht so wohl wie anderen Fahrzeugen fühlt. Vergleicht man das Fahrverhalten mit typischen Mittelklasse Limousinen der deutschen Autobauer merkt man, dass schnelle Reisegeschwindigkeit keine Priorität für die Ingenieure bei Tesla waren.
Reichweite und Verbrauch
Auf dem Papier soll das Tesla Model 3 Long Range stolze 612km nach WLTP schaffen. Mit den von uns verwendeten Aerodynamik Felgen sind es sogar theoretisch mögliche 626km. Das diese Werte in der Praxis nicht erreicht werden, sollte jedem klar sein. Es ist auch nicht anders mit den Verbrauchsangaben bei Verbrennern.
Jedoch liegen nach unseren Erfahrungen theoretische Werte und Realität sehr weit auseinander. Im Alltag haben wir in der Regel eine Reichweite von 350km erzielt. Egal ob wir nur in der Stadt unterwegs waren oder Langstrecke bei maximal 130 km/h gefahren sind. Das ist sicherlich ein Problem aller E-Autos, aber bei den großen Versprechen von Tesla hatten wir größere Erwartungen.
Betrachtet man entsprechend den Verbrauch liegt dieser oft bei 20 kWh / 100km und damit gut über der Werksangabe. Mit der Batteriekapazität von gut 82 kWh ergibt das auch ungefähr die Reichweite von 400km. Man muss hier noch zusätzlich erwähnen, dass man ein E-Auto meist nur im Bereich von 15 bis 90% Akkukapazität nutz und damit die gefühlte Reichweite nochmal geringer ist.
Ladezeiten und Ladeinfrastruktur
Wenn der Akku einmal leer ist, kann er mit bis zu 250 kW über den DC Anschluss geladen werden. Das Schnellladen haben wir tatsächlich nur bei Langstrecken genutzt. Meistens konnte man sehr zügig von 20 auf 80% laden und es wurden oft 100 bis 150 kW Ladeleistung erreicht an den Superchargern von Tesla.
Die eigenen Supercharger der Marke sind auch ein entscheidender Vorteil für die Marke, denn es ist eine Ladeinfrastruktur auf die man sich verlassen kann. In einem halben Jahr gab es kein einziges Mal, dass ein Charger nicht funktioniert hat. Manchmal ist viel los an den Ladestationen und je mehr Teslas laden, desto geringer kann die Ladeleistung für den einzelnen sein, aber das ist annehmbar.
Hinzu kommt noch, wenn man nicht regelmäßig am Supercharger lädt, braucht man auch keine Mitgliedschaft buchen, um attraktivere Preise zu erzielen, sondern man zahlt immer den aktuellen Ladepreis egal ob man jede Woche oder nur zwei mal im Jahr den Supercharger nutzt.
Das ist für uns praktisch, denn meistens wurde unser Model 3 Long Range an der eigenen Wallbox oder einer AC Ladesäule mit 11 kW geladen, was uns in der Innenstadt von Berlin völlig ausgereicht hat.
Assistenzsysteme: Autopilot in der Basis hilft nicht viel
Autonomes Fahren ist und war schon immer ein wichtiges Aushängeschild von Tesla. Immer wieder gingen auch Videos viral in denen Teslafahrer sich völlig ohne Eingreifen über lange Strecken auf den „Autopilot“ verlassen haben.
Im Tesla Model 3 gibt es den Autopilot in drei Stufen. Die erste ist inklusive, die zweite kostet 3.800 Euro Aufpreis und die höchste stolze 7.500 Euro. Letztere soll jedoch das volle Potenzial für autonomes Fahren mitbringen und könnte nach Fertigstellung der Software noch teurer werden. In Sachen Hardware unterscheiden sich die Stufen allerdings nicht, womit man auch beim Kauf erstmal auf ein Upgrade verzichten kann und später eine bessere Autopilot-Software kaufen kann.
Die einfachste Stufe in unserem Model 3 Long Range erlaubte es „autonom“ die aktuelle Spur und Geschwindigkeit zu halten bzw. sich dem Vordermann anzupassen. Funktionen, die man bereits aus anderen Autos seit Jahren kennt, wenn sie dort auch nicht Autopilot heißen.
In der Praxis funktioniert das System von Tesla ein wenig anders, da es immer wieder bewusst aktiviert werden muss. Wechselt man die Spur oder greift stark ins Lenken ein ist es wieder deaktiviert. Das finde ich bei dieser teilautonomen Lösung nicht so gut wie die Lösung, dass man nach dem menschlichen Eingriff einfach dem „Autopilot“ wieder übergibt.
Weiterhin ist auch der Autopilot gut darin den Fahrer zu erziehen, denn er zwingt einen immer wieder das Lenkrad zu bewege. Tut man dies nicht, schaltet er sich ab. Schaltet er sich zu oft ab weigert sich der Tesla den Autopiloten für den Rest der Fahrt überhaupt wieder einzuschalten. Auch das nervt eher, denn es kostet mich mehr Aufmerksamkeit den Autopiloten „zu befriedigen“ als einfach selbst zu fahren.
Preise und Kosten
Der Preis der Teslas schwankt je nach Nachfrage immer wieder. Mal geht es einige Tausend Euro nach oben. Später geht der Preis wieder runter. Das besondere ist, dass es bei Tesla keine Nachlässe im klassischen Sinne gibt, sondern immer der Listenpreis angepasst wird. Nur für Bestandsware gibt es zusätzliche Nachlässe oder kostenloses Supercharging als Bonus.
Betrachtet man den Preis im Vergleich zum Wettbewerb ist festzustellen, dass man durchaus viel Auto für den Kaufpreis des Teslas bekommt. Anders als bei vielen deutschen Herstellern gibt es nicht viele Sonderausstattungen, die den Preis nach oben treiben. Damit sind die angezeigten Preise tatsächlich die Endpreise.
Preislich in einem ähnlichen Bereich sind der Hyundai Ioniq 5 und der Polestar 2, die zumindest auf dem Papier nicht an die Leistung und Reichweite des Teslas rankommen und auch nicht so eine starke Software bieten.
Fazit
Das Tesla Model 3 ist sicherlich für den aufgerufenen Preis ein sehr attraktives E-Auto. Das Auto hat seine Stärken bei der Software, der eigenen Ladeinfrastruktur und der Antriebsleistung. Weniger gut sind andere Disziplinen, die der noch junge Automobilhersteller noch nicht so gut hinbekommt. Dazu zählen Lenkung, Fahrwerk oder Wendekreis. Die Bedienung ist eigen, aber man kann sich daran gewöhnen.
Ist das Model 3 nun das beste Elektroauto und wird es dem Hype gereicht? Aus unserer Sicht ist es in der Klasse vermutlich eine der besten Optionen, wenn man ein Elektroauto für etwa 50.000 Euro sucht und damit auch lange Strecken fahren will, findet man derzeit wenig bessere Begleiter.
4.4
Bewertung
Tesla Model 3 Long Range